19.01.2015: Die Grenzen der Schneeräum- und Streupflicht

Ob ein Haus- und Grundstücksbesitzer wirklich rund um die Uhr seiner Räum- und Streupflicht nachkommen muss, um nicht belangt werden zu können, wenn ein Passant auf seinem Grundstück wegen Glätte stürzt, zeigt ein aktuelles Gerichtsurteil.

Prinzipiell haben Haus- und Grundstückseigentümer in der Regel für die Gehsteige, Gehwege und Stiegen zum und um das Haus eine Räum- und Streupflicht, um zu verhindern, dass ein Fußgänger wegen Schnee- oder Eisglätte stürzt. Doch das Schneeräumen oder andere Maßnahmen gegen Glatteis „rund um die Uhr“ sind in der Regel unzumutbar, wie ein Gerichtsentscheid des Obersten Gerichtshofes (GZ 2 Ob 43/14h) bestätigt.

Eine Frau rutschte gegen Mitternacht nach Abschaltung der Hausbeleuchtung auf dem Fußweg einer Wohnhausanlage, in der sie selbst in einer Mietwohnung wohnte, wegen Glatteis aus und stürzte. Auf dem Weg hatte es untertags getaut und in der Nacht gefroren, sodass sich Glatteis gebildet hatte.

Sie verlangte von der Eigentümergemeinschaft, der Hausverwalterin (und Wohnungseigentümerin) sowie den mit dem Winterdienst betrauten Unternehmern Schadenersatz. Ihre Forderungen machte sie vor dem Obersten Gerichtshof (OGH) geltend.

Sach- und fachgerechter Winterdienst?

Die Frau argumentierte vor Gericht unter anderem damit, dass die Sturzstelle weder beleuchtet noch abgesichert oder bestreut gewesen sei.

Die von ihr Beklagten hafteten nach Ansicht der Klägerin unter anderem in erster Linie wegen Verletzung vertraglicher Pflichten beziehungsweise vorvertraglicher Schutzpflichten des Wegehalters. Die Beklagten wiederum waren der Meinung, dass die Frau den Sturz alleine verschuldet habe.

Die Wohnungseigentümerin und Verwalterin der Liegenschaft (Vermieterin) hätte alles Zumutbare getan, um die Geh- und Fahrwege der Liegenschaft schnee- und eisfrei zu halten. Sie habe den Winterdienst für die Zeit von 6 Uhr bis 22 Uhr täglich an ein Unternehmen übertragen, das diesen sach- und fachgerecht durchgeführt habe. Es seien nie Mängel festgestellt worden.

Nicht zumutbar

Nach der Rechtsprechung sind laut OGH die Grenzen der Zumutbarkeit einer Schneeräum- und Streupflicht überschritten, wenn bei andauerndem Schneefall oder sich ständig erneuerndem Glatteis eine ununterbrochene Schneeräumung notwendig wäre. Genauso seien eine Schneeräumung beziehungsweise Maßnahmen gegen Glatteis „rund um die Uhr“ regelmäßig unzumutbar.

Dafür spreche auch die Vorschrift des Paragraf 93 Abs. 1 StVO (Straßenverkehrsordnung), die auch für die – meist stärker frequentierten – dem öffentlichen Verkehr dienenden Gehsteige und Gehwege eine Räumpflicht lediglich für die Zeit von 6 Uhr bis 22 Uhr statuiere.

Diese Auffassung wird, so der OGH, im vorliegenden Fall noch dadurch untermauert, dass zumindest ab 24 Uhr auch die Beleuchtung der Außenanlagen der Wohnhausanlage abgeschaltet wurde. Man sei also von einer allgemeinen Nachtruhe ausgegangen, für die eine Räumung „wie untertags“ überschießend wäre.

(K)eine Haftung für Wege innerhalb der Wohnhausanlage?

Es entspreche zudem der Lebenserfahrung, dass es am Beginn der kalten Jahreszeit zu Temperaturen von null Grad Celsius und darunter und daher zur Glatteisbildung kommen könne, so der OGH.

Eine Pflichtverletzung der Reinigungsunternehmer konnte nicht bewiesen werden, so der OGH in seiner Entscheidung. Außerdem stehe hier nicht fest, dass der Weg innerhalb der Wohnhausanlage, auf dem die Frau stürzte, von „jedermann ohne jede Einschränkung“ benutzt werden konnte.

Eine Haftung der Eigentümergemeinschaft gemäß Paragraf 1319a ABGB (Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch) scheide daher schon deshalb aus. Abgesehen davon fehle es auch an einem nach dieser Gesetzesstelle erforderlichen groben Verschulden.

Doppelter Schutz für Immobilienbesitzer

Übrigens: Eigentümer eines selbst genutzten Einfamilienhauses, die eine Haus- und Grundbesitzer-Haftpflicht-Versicherung, oder auch eine Eigenheim- oder Haushalts-Polizze mit einem entsprechenden Haftpflichtschutz haben, sind doppelt geschützt.

Zum einen übernimmt eine solche Polizze nicht nur berechtigte Schadenersatz-Forderungen Dritter, wenn tatsächlich die Streupflicht verletzt wurde, sondern wehrt auch ungerechtfertigte Ansprüche wie in dem genannten Fall ab.

 

Besitzer von vermieteten Immobilien oder von Firmengebäuden benötigen üblicherweise eine separate Haus- und Grundbesitzer-Haftpflicht-Polizze oder eine entsprechende Eigenheimversicherung, die diesen Haftpflichtschutz enthält.


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